• 1983 Skizze Orgelbauanstalt Paul Faust
  • 1924 Einsturz Orgelbauwerkstatt
  • 1935 Gartenseite Orgelbauwerkstatt Paul Faust
  • Porträt Paul Faust
  • 1950 Carl Bürkle Intonierlade
  • 1952 ca. Werkstatt im OG Orgelbau Paul Faust
  • 1935 ca. Werkstatt im OG Orgelbau Paul Faust
  • 1926 ca Belegschaft Orgelbau Paul Faust
  • 1912 Aula Gymnasium Schwelm Orgel
  • 1917 ca Familie Paul Faust
  • 1928 Grundriss Orgelwerkstatt Faust M
  • 1954 Belegschaft Orgelbau Paul Faust

Orgelwerkstatt Paul Faust


Unsere Stadt hatte sogar einen Orgelbauer als Bürger!

Der gebürtige Schwelmer Paul Faust (1872-1953) ist Sohn des Küsters der reformierten Kirche. Wahrscheinlich hat er schon als Kind dem Organisten als Blasebalgtreter gedient.

 

Große Orgeln benötigen damals zehn oder mehr so genannter Kalkanten (von lateinisch calcare „treten“), die mit Händen, Füßen und ihrem ganzen Körpergewicht die Orgel mit Luft versorgen. An unbedeutenderen Kirchen wie denen in Schwelm handelt es sich bei den Kalkanten oft um einzelne Schuljungen, die, wenn sie mal nicht aufpassen, mitunter komische Situationen verursachen. Dann bekommt die „Lunge“ der Orgel nämlich keine Luft mehr, der charakteristische „Atem“ erstirbt, die Musik verstummt…

Paul Faust jedenfalls hat seine Liebe zu den Orgeln entdeckt. Nach Lehrjahren zum Orgelbauer in Rostock, England, Düsseldorf und Wuppertal macht er sich selbständig und kehrt, inzwischen mit Frau und zwei Töchtern, nach Schwelm zurück. Ab 1923 liefert er aus der Markgrafenstraße seine Orgeln aus.

Doch die neue Schwelmer „Orgelbauanstalt Paul Faust“ wird gleich nach Neugründung durch eine Katastrophe erschüttert: Als auf dem Nachbargrundstück ein Keller ausgeschachtet wird, sackt Fausts gesamte Werkstatt über Nacht in die Baugrube ab!

Aber Faust lässt sich nicht klein kriegen. Er baut wieder auf. Bald ist seine Firma ein florierender Betrieb, der Orgeln baut für Kirchen, Gemeindesäle, Schulen, Krankenhäuser, Friedhofskapellen und für den privaten Gebrauch. Dabei ist sich Faust, der selbst jahrelang an der Werkbank gestanden hat, auch als Chef nie zu schade, mit anzupacken.

 

Belegschaft 1954

Seine Ansprüche sind hoch. Faust erwartet von seinen Mitarbeitern nur die beste Qualität, abends kontrolliert er ihre Arbeit, einfach ist er sicher nicht, wie auch das Schild, das in seinem Büro hängt, deutlich macht:

Zeit ist Geld, das merke Dir!
Nur geschäftlich komm zu mir.
Doch willst du unterhalten sein,
so stelle dich am Abend ein.

Die Räumlichkeiten des Orgelbauhandwerklichen Betriebes sind gut durchdacht… Im Erdgeschoss befindet sich der Maschinenpark mit Schmelzofen für die Metallpfeifen, oben hinter den großen Fensterfronten stehen die Werkbänke. Zahlreiche Bauelemente lassen sich auf- und wegklappen, so dass die riesigen Orgelteile überhaupt verladen werden konnten.

In der Markgrafenstraße werden insgesamt fast 300 Orgeln gebaut, zudem weit mehr als 1000 Exemplare von Fausts eigenem Patent: Kreiselgebläse, die die Handarbeit der Kalkanten fortan unnötig machen.

Fausts Nachfolger Carl Bürgle an der Intonierlade.

Zeitgenossen beschreiben Fausts Arbeit als „Meisterwerke deutscher Sorgfalt (…), Präzision und Zuverlässigkeit“. Der Komponist Sigfrid Karg-Elert beschreibt den „wuchtigen, wahrhaft grandiosen und doch singenden Ton der grossen Prinzipale, den ganz wundervoll ausgeprägten, diskret-dezisen Harmonikabass (quasi pizzikato!), die köstlich interessante, aliquotische Schalmei, die originellen Jeu chamades des II. Manuals, die beruhigende Unda maris, auf der dahinzusegeln eine wahre Lust ist…“ Nur eines fehle der Faustschen Orgel: ein Mikrophon-Telephonanschluss nach Leipzig, von dem er, Karg-Elert, regelmäßig Gebrauch machen würde.

Heute sind nur noch wenige Faust-Orgeln erhalten, z.B. in der Erlöserkirche Hiltrop, in der Alten Kirche Essen oder in der Sonnborner Hauptkirche. Die Faust-Orgel, die einmal in der Aula des Schwelmer Gymnasiums stand, existiert schon lange nicht mehr.

Mit seiner Orgel für die St. Nikolai-Kirche von 1930 in Dortmund brach Faust als einer der ersten radikal mit der traditionellen Formensprache. Leider ist auch diese Orgel nicht erhalten.

Die meisten Bilder dieses Beitrags stammen von Renate Zethmeyer. Ihr Vater Hans Kuhnen hat 1925 eine Lehre bei Paul Faust als Orgelbauer begonnen und dann bis zur Rente dort gearbeitet. Auf dem Bild ist er als kleiner Junge (mitte) vor dem Elternhaus in der Kaiserstraße 7 zu sehen.

Als Lehrling im ersten Lehrjahr mit Rauhbank 1926 (auf dem Boden links).

Hans Kuhnen ca. 1962 (mitte) mit zwei Kollegen.